Das
Zauberbaumflüstern auf Formentera
Ein
Bilderbuch mit Texten, Fotos und Zeichnungen von
Johannes
F. Schultz
Buchbesprechung
von Heidemarie Kück
Ein „Bilderbuch“? Ist das nicht
was für Kinder im Vorschulalter? Schon dieses Wort auf dem Cover des
Buches ließ mich stutzen und über den Begriff nachdenken, bevor ich das
Buch überhaupt aufschlug. Dabei kündigt das beeindruckende Foto hinter
dem Text, bei dessen Aufnahme der ideale Standpunkt gewählt und der
perfekte Sonnenstand abgewartet wurde, bereits an, was den Leser erwartet.
Haargenau zutreffend scheint die einfache und klare Definition: „Bilderbücher
sind Bücher mit zahlreichen Abbildungen, welche den Text ergänzen oder
von Text ergänzt werden.“ Beim ersten, flüchtigen Durchblättern wird
diese Aussage auch gleich bestätigt. Viele wunderschöne Aufnahmen von
Formentera und speziell von „La Riada“ sowie eigene, mal
manieristisch, mal surrealistisch anmutende Zeichnungen des Autors
vermitteln dem Betrachter sofort, dass er kein gewöhnliches Lesebuch in Händen
hält, bei dem die Bilder bloß schmückendes Beiwerk sind. Dabei ist das
Buch „nur“ 93 Seiten stark, doch die sind derart prall gefüllt, dass
jede weitere Seite die Aussagen des Buches nur verwässert hätte.
Der Eingangstext, in dem mit einem zwinkernden Auge erläutert wird, für
wen das Buch geschrieben ist, wurde so originell gesetzt, dass er die Form
einer antiken Vase bildet. Auch ein kleiner Augenschmaus. Das folgende
Gedicht von Pablo Neruda („Oh Erde, warte auf mich“) stimmt den Leser
ein und ist das einzige Gedicht, das nicht aus der Feder des Autors
stammt. Mit dem Begriff „Insel“ beschäftigen sich dann sowohl das
Vorwort als auch der weitere Text. „Die Kraft des Meeres formt die Insel
und ihren Küstensaum. Ständig spült sie aus, nagt am Felsen oder
schleift Strände ein. So sind Küstenformationen lebendige und ungemein
spannende Zwischenzonen, Mischwelten zwischen Land und Meer, kreative
Tummelplätze der Natur.“ Schöner kann man es kaum ausdrücken.
Es folgt eine Beschreibung von Formentera für die Leser, denen dieses
„Kleinod unter den Mittelmeerinseln“ bisher verborgen blieb. 1972 war
Johannes Schultz das erste Mal dort, untergekommen in einem Hotelzimmer
ohne Bad, mit Salzwasser aus der Leitung und regelmäßigem Stromausfall.
Dabei war dies sein erster Urlaub nach sechs harten Berufsjahren. Fast wäre
es der einzige Besuch auf Formentera geblieben. Doch schon im nächsten
Jahr war er wieder dort und alle darauf folgenden auch. Nie jedoch
schlossen seine Inselerkundungen die Nordspitze ein. Der Blick von einem Hügel
neben dem nördlichsten Restaurant „Victor“ hielt ihn immer ab, da es
nur Steine, Geröll und Sand zu sehen gab. Doch 1992 wagte er den mühseligen
Marsch und das war auch der Beginn des Baus von „La Riada“. Fasziniert
liest man, wie dieses Werk nach und nach, von Jahr zu Jahr, gewachsen ist
und Gestalt angenommen hat. Und wie der Name entstanden ist. „La Riada“
bedeutet „Sturmflut, Überschwemmung“, was natürlich gut passt zu dem
angeschwemmten Strandgut, aus dem es gebaut ist. Doch das ist ein
erstaunlicher Zufall. Warum das Werk tatsächlich so getauft wurde, mag
jeder Interessierte selber nachlesen.
Anschließend
folgt eine sehr intensive Auseinandersetzung mit dem Begriff „Gott“,
die selbst mich als Atheistin gefesselt hat. Anders, als ich es bisher
gewohnt war, wird eine Kraft beschrieben, hinterfragt und dem Leser so
nahe gebracht, dass man tatsächlich den Ansporn bekommt, „nach neuen
Fundamenten außerhalb der naturwissenschaftlichen zu suchen“. Mir fällt
es schwer, hierzu mehr zu schreiben. Vielleicht, weil ich mich innerlich
immer noch mit dem Gelesenen auseinandersetze. Was das mit „La Riada“
zu tun hat, wird sich vielleicht mancher fragen. La Riada scheint eine
sinnlose Landschaftsinstallation zu sein, interessant anzusehen, aber ist
es mehr? Ja, es ist viel, viel mehr. Es ist Ausdruck von Lebensfreude, es
inspiriert, widerspricht der Schwerkraft, verleitet zum Träumen, lädt
den Betrachter ein, über die Natur und ihre Zusammenhänge, über die
Kraft des Geistes und über sich selbst nachzudenken. Und es gibt eine
Geschichte, die sich lange vor der Existenz von Riada an eben dieser
Stelle auf Formentera zugetragen hat. Eine alte Sage, die davon berichtet,
hat Johannes Schultz unter dem Titel „Ballade von der Göttin Astarte“
mit viel Spaß, wie er selber schreibt, in gereimte Form gesetzt. La Riada
ist ein Denkmal dieser Sage geworden. Und so hat der Autor die Sage in
seiner Ballade fortgeführt bis in die heutige Zeit.
Im nachfolgenden Kapitel „Das Zauberwerk“ wird auch von
unterschiedlichen Reaktionen der Besucher berichtet. Schmunzeln musste ich
über das von einem Besucher hinterlassene Woody Allen Zitat: „Nicht
dass ich Angst hätte vor dem Tod, aber wenn er auf mich zukommt, möchte
ich nicht hier sein.“ Dabei hat La Riada auch etwas mit Liebe und
Zuneigung zu tun. Immer, wenn Johannes Schultz dort ist, kommt er mit
Menschen in’s Gespräch und manches Mal sind daraus auch tiefe
Freundschaften entstanden. Von einer Brieffreundin, die Riada ohne ihn nur
einmal kurz besuchte, erhielt er einen 20-seitigen Kommentar, der
auszugsweise abgedruckt ist. Sehr persönlich deutet sie La Riada als
Ausdruck seiner Seele und der Suche nach der ewigen Liebe. Und ebenso persönlich
reflektiert Johannes Schultz im Folgenden seine Gedanken über die Liebe,
und es berührt einen sehr, wenn er zugibt, dass er sich nicht mehr sicher
ist, ob es die absolute und ewige Liebe zwischen zwei Menschen überhaupt
gibt, da alle „einmaligen“ Lieben irgendwann wieder verblasst sind.
Dabei gibt er zu, dass er „nie darin eintauchen (...und dann vielleicht
keine Luft mehr bekommen!)“ wollte. Durch diese Angst vor dem eingeengt
werden und die daraus resultierende Hemmung, sich voller Vertrauen fallen
zu lassen, war ihm wohl die tiefe und ewige Liebe zu einer Frau bisher
verwehrt. Anders verhält es sich mit La Riada. Sie ist seine steinerne
Geliebte, der er sich ganz öffnet, wie seine ehemalige Brieffreundin Gina
schreibt. Aufschlussreich meint sie: „Don Juan wird immer wieder zu La
Riada zurückkehren müssen, bis er begreift, dass die Riada nicht außen
gesucht und geliebt werden will. Vielmehr wartet in ihm selbst der
Riada-Anteil auf Erlösung aus der Versteinerung.“
Doch wenn es ihn einmal gepackt hatte und er meinte, jetzt habe ihn die
Liebe angefasst „mit all ihrer Unbändigkeit“, dann sind ihm wunderschöne
Liebesgedichte geglückt, die im letzten Teil des Buches veröffentlicht
sind. „Das Zauberbaumflüstern“, melancholisch und verzaubernd wie der
Titel verspricht, sowie das voller Zerrissenheit und Liebessehnsucht
geschriebene „halt mich los“ sind gleich beim ersten Mal Lesen zu
meinen Lieblingsgedichten geworden...
P.S.:
Das Buch ist in keiner Buchhandlung, sondern nur direkt über den Autor
erhältlich. Wer möchte, kann auch nach einem handsignierten Exemplar
fragen. Das Buch kostet 11,- € + 1,50 € Versand und kann nur über den
Autor direkt bestellt werden:
Johannes Schultz, Steinheilstr. 17, 80333
München
E-Mail: Johannes.Schultz@gmx.net
(Achtung:
bitte auf die Endung achten, da sich unter gleicher Mailadresse mit der
Endung „.de“ ein anderer Johannes Schultz verbirgt.)
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