|
"Mariana
und Omar"
oder
"Wie
kommen die wilden Ziegen auf das Cap de Barbaria"
Für
Marina, die noch nie auf Formentera war, aber noch genügend Zeit
hat dies nachzuholen
von
Hans-Lothar Klatt |
|
Er kam auf die
Insel wie alle anderen Pauschalreisenden: mit dem Charterflugzeug auf dem
Flughafen von Ibiza gelandet, mit Bussen zum Hafen gekarrt und dann –
rapido, rapido – auf die Schnellfähre.
Der
Anblick der Altstadt von Eivissa entschädigt ihn ein wenig für die
Hektik, natürlich auch das erste schnelle spanische Bier in der Estacion Maritimo kurz vorher.
Die
Marineros, wortkarg, muffelig, ja fast unfreundlich, verstauen die Koffer.
Das Schiff legt ab und die Fahrt, der Höllenritt geht los. Unter
infernalischer Lärmentwicklung schießt das Boot, vorbei an unbewohnten
Felseilanden, der anderen Insel entgegen. Selbst passionierte Raucher
werfen ihre Kippe resignierend über die Reling: zu viel Wind,
Spritzwasser, und gut festhalten sollte man sich auch.
Und
dann, wie aus einer anderen Welt, taucht im Westen etwas auf, fast
unwirklich schön: Es Vedra im Sonnenuntergang. Unbeschreiblich,
sagenhaft. Ist das die Spitze von Atlantis und der Lärm nur das ferne
Echo des Untergangs?
Lange
nachzudenken ist unmöglich, schon ist das Ziel erreicht: Formentera.
Wieder rein in den Touristenbus und ab in die Unterkunft.
Was
sieht er abends in der Dämmerung? La Savina, der Hafen, ganz hübsch mit
seinen
Yachten und Fischerbooten, der palmengesäumten Promenade, Hotel
Bellavista, Hotel Bahia, ganz hübsch. Aber sonst: rechts ein großer
Parkplatz, am Rand mit Containern und Trailern vollgestellt, der Blick auf
den kleinen weißen Leuchtturm verschandelt. Hinter dem Parkplatz zwei üble
Appartementblocks – unrenovierter Plattenbau – seit Jahren wohl nach
ein wenig Farbe lechzend. Wer ist wohl so bescheuert, in solchen Kästen
seinen Urlaub zu verbringen?
Die
Straße hoch nach Sant Francesc, schnurgerade, (den Estany d’es Peix
sieht er natürlich nicht) Gewerbebauten, Auto- und Motorrollerverleih, Möbelmanufaktur,
Großhandel. Na toll. Und dann Sant Francesc, die „Inselhauptstadt“.
Am Kreisel rechts rein, einmal links schauen, einmal rechts schauen, und
schon ist’s vorbei. Etwas enttäuschend das alles. Und jetzt abbiegen,
die Straße Richtung Es Mal Pas.
Caminos
heißen diese Straßen und Camino muss wohl so übersetzt werden:
Eine
Straße, bei deren Benutzung (besonders im eiligen Touristenbus) auch der
Reisende, der den Beutel hinter dem Sitz des Vordermannes im Flugzeug
nicht benutzen musste; der auf der rasanten Fahrt über den Freus das Gefühl
hatte, es wüchsen ihm Seemannsbeine; dieser Reisende würde gerne den
Aufwallungen seines Magens nachgeben, müsste er nicht die Beule
versorgen, die er sich gerade eingefangen hat, weil er sich im Bus nicht
anschnallen kann. Caminos: eine Aneinanderreihung tiefer und tiefster
Schlaglöcher.*
Links und
rechts sieht er nun Johannisbrotbäume, Feigenbäume, Agaven, Schafe,
Ziegen,
schwarzgekleidete alte Frauen, sonnengegerbte Bauern, strohbehütet,
die wegen der Tageshitze erst jetzt am Abend zur Feldarbeit kommen.
Doch
nicht so übel hier.
Am
nächsten Morgen tritt er auf den Balkon seines Appartements, schaut auf
die Pinienwälder links Richtung Ca Mari und rechts bei Can Parra und auf
das Meer vor ihm und denkt: „Merkwürdig. Kommt mir alles seltsam
vertraut vor.“
* Der Camino
von St. Francesc nach Es Mal Pas ist inzwischen asphaltiert, was von
vielen bedauert wird, war es doch immer ein ganz besonderes Erlebnis,
diese Straße mit Fahrrad oder Roller zu befahren.
Fortsetzung |